DUFT-AROMATIC -
Die Funktion von Düften


"Die Seele läßt sich auf Düfte ein"
von Anja Stöhr; erschienen in "persönlich" vom 29. März 1996

Anja Stöhr ist Diplom-Kauffrau, Doktorandin und wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Absatz-, Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität GH-Paderborn (Leitung: Peter Weinberg). Die Ergebnisse im Bereich POS resultieren aus Studien, die unter der Leitung Anja Stöhrs von 1992 bis 1994 an der Universität Paderborn durchgeführt wurden.

Die Wirkung von Düften als Stimulanz auf Körper, Geist und Seele ist längst bekannt: Düfte inspirieren die Phantasie, entfachen Gefühle und könnnen über das Wohlbehagen entscheiden. Die Berücksichtigung olfaktorischer Reize im Rahmen der strategischen POS-Gestaltung impliziert nicht nur die Kontrolle und das Auschalten unangenehmer Gerüche, sondern auch deren gezielter Einsatz zur Schaffung eines positiven Wahrnehmungsklimas im Laden.

Die Verwendung von Düften als stimmungsinduzierende Medien offerieren dem Handel eine Vielfalt an kreativen, unverwechselbaren und prägnanten POS-Gestaltungsszenarien, die den Aufbau eines individuellen POS-Profiles in hohem Maße unterstützen können.

Untersuchungen zur Bewertung der Raumluftqualität weisen darauf hin, daß unangenehme Gerüche, die sowohl von Personen als auch vom Raum selbst und seiner Ausstattung ausgehen, zu negativen Empfindungen bei den Raumbenutzern führen. Zur Verbesserung der empfundenen Raumluftqualität (sogenannte Indoor-Air-Quality) wird neben der Eliminierung von Schadstoffen (Eliminierung der Sick-Building-Syndrome) zunehmend die Forderung gestellt, daß die jeweilige Luft von den Benutzern als frisch und angenehm und nicht als muffig und abgestanden empfunden werden darf. Umgekehrt gibt es auch Geruchsstoffe, die den Menschen positiv beeinflussen.Am POS eingesetzt, können diese die empfundene Luftqualität verbessern. Untersuchungen haben gezeigt, daß durch die Zuführung geeigneter Duftstoffe eine signifikante Verbesserung der empfundenen Raumluftqualität erreicht werden kann.

Grafik: das Geruchssystem

Weshalb riechen wir?

Die Bedeutung des Geruchssinnes ist durch physiologische Aspekte erklärbar:
Aufgenommene Duftmoleküle lösen eine unmittelbare Reaktion im Gehirn aus, da die Riechnerven mit dem Limbischen System direkt in Kontakt stehen. Das Limbische System - innerste Steuerzentrale des Gehirns - steuert das vegetative Nervensystem, das selbständig die gesamten Lebensvorgänge regelt. Hier werden Gefühle und Handlungsziele koordiniert, entstehen Lust und Unlust, Zuneigung und Abneigung. Die im Limbischen System lokalisierten Gedächtniszentren erklären anatomisch und physiologisch die enge Verbindung zwischen Gefühlen, Assoziations- bzw. Transaktions- und Erinnerungsprozessen durch olfaktorische Stimulation.

Das Geruchserlebnis ist demnach ein wesentlicher Bestandteil der Mensch-Umwelt-Beziehungen. Die Umweltpsychologie beschäftigt sich mit dem Einfluß der physischen Umwelt (von Farbe und Formen, Geräuschen, Gerüchen usw.) auf das menschliche Verhalten. Nach deren Erkenntnissen ist dieser Einfluß vor allem davon abhängig, inwieweit durch die Umwelt eine stimulierende Empfindung ausgelöst wird. Diese Wirkung bestimmt auch, ob der Konsument eine Geschäftsumwelt meidet oder als anziehend empfindet, was wiederum die Vorlieben der Konsumenten für ein bestimmtes Geschäft oder für bestimmte Produkte beeinflußt.

Wer sucht die sinnliche Umgebung?

Die Luft in Geschäften wird häufig als abgestanden empfunden. Insbesondere Kunden, die für Sinnesfreuden besonders empfänglich sind, Abwechslung suchen und beim Einkauf animiert, stimuliert und inspiriert werden möchten, legen besonders Wert auf atmosphärische POS-Komponenten, beachten die olfaktorische Qualität an Verkaufsorten und bevorzugen angenehm riechende Geschäfte. Im Rahmen weiterer Untersuchungen stellte sich heraus, daß zielgruppenadäquate Duftreize die emotionale Befindlichkeit der Kunden am POS signifikant verbessern.

Eine angenehme olfaktorische Stimulation wirkt sich signifikant positiv auf die Wahrnehmung des POS sowie des Sortiments aus. Weiterhin wirkt sie sich auch signifikant positiv auf die Produktkontaktbereitschaft, das Verweilen am POS und die Wiederkommensabsicht aus. Außerdem konnte eine Umsatzsteigerung festgestellt werden.

Zielgruppenadäquate Düfte

Eine passende Duftkulisse am POS kann somit das Wohlbefinden der Konsumenten signifikant steigern. Düfte werden von den Konsumenten mehr unbewußt als bewußt registriert und können die Kunden in eine angenehme Stimmung versetzen, welche dazu führt, daß verstärkt positive Ergebnisse wachgerufen werden, da nach wissenschaftlichen Erkenntnissen der Zugriff auf glückliche Entscheidungs- und Bewertungsprozesse selektiv beeinflußt bzw. präjudiziert werden.

Olfaktorische Stimuli besitzen angesichts ihrer schnellen Wahrnehmbarkeit und besseren Speicherung im Vergleich zu visuellen Signalen den weiteren Vorteil, daß sie nicht nur stimulierend wirken, sondern mehr als andere Stimuli Assoziationen wecken und somit vor allem die Voraussetzung zu einer intensiven und holistischen Erlebniswertvermittlung schaffen können.

Düfte beeinflussen selektiv

Die Verwendung von Düften am POS hat einen selektiven Einfluß auf die Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie auf die gedankliche Speicherung der erlebten Eindrücke. Diese schlagen sich wiederum auf die Präferenzen nieder. Eine rein optisch anziehende Geschäftseinrichtung gewinnt zusätzlich an Wert, wenn sich der Kunde noch durch einen angenehmen Duft angezogen fühlt und dann gerne am Verkaufsort verweilt, vorausgesetzt, die Duftstoffe werden in einer jeweils angemessenen Konzentrationsmenge wahrgenommen.

Dagegen können olfaktorische Reize, falls sie als unangenehm, zu intensiv oder als unpassend zur Einkaufssituation empfunden werden, eher zu einer Stimmungsverschlechterung führen, welche sich entsprechend negativ auf die Entscheidungs- und Bewertungsprozesse auswirkt. Auch müssen die Besonderheiten des jeweiligen Anwendungsumfeldes und die Präferenzen der Zielgruppen berücksichtigt werden. Ebenso ist die Planung der technischen Umsetzung der POS-Beduftung ein relevater Bereich, denn die Beduftung sollte kontinuierlich und knapp oberhalb der Erkennungsschwelle erfolgen.

In dem Maße, in dem Konsumenten einen POS-Duft als integrierenden Bestandteil eines POS empfinden, verbinden sie die Gefühle und Assoziationen, die durch den Duft evoziert werden, auch mit diesem POS.

Düfte sind unsichtbare Verkaufsprofis

Um die gewünschte kommunikative Erlebniswirkung zur olfaktorischen Positionierung des POS zu realisieren, ist es möglich, die gewünschte Erlebniswirkung verbal zu beschreiben. Duftkompositionen können nach rationalen Konzepten aufgebaut werden und bestehen im Prinzip aus drei Bestandteilen: Die Kopfnote (auch Spitze oder Angeruch genannt) ist der erste Eindruck eines Duftes. Hier dominieren die leichtflüchtigen Substanzen. Zu den Kopfnoten zählen beispielsweise aldehydische, citrussaure Aromen wie Zitrusöle, Basilikum, Bergamotte und Eukalyptus. Die Herznote (auch Bouquet, Blume, Mittelnote oder Corps genannt) entfaltet sich erst später, wenn die flüchtigsten Bestandteile ihren vorherrschenden Einfluß verloren haben. Sie ist die charakteristische Note der mittleren Verdampfungsstadien. Oft bilden Rosen-, Nelken- oder Jasmindüfte die Herznote. Die Basisnote (auch Baßnoten, Fond oder Nachgeruch genannt) wird geprägt von den schwerflüchtigen Riechstoffen, die im letzten Stadium zurückbleiben.Zibet, Moschus und Ambra, aber auch viele Harze und Hölzer (Sandelholz) formen die Basisnote.

Da Düfte situationsadäquat konzipiert und eingesetzt werden können, kommt dem Duft als Gestaltungskomponente der POS-Atmosphäre eine besondere Bedeutung zu. Es geht um gezielt eingesetzte Düfte. Zu viele und/oder zu intensiv eingesetzte Düfte wirken aufdringlich, belästigend und können Reaktanzen bei den Umworbenen auslösen. Voraussetzung zur Wahrnehmung und letztendlich zur Erlebnisvermittlung sind also jeweils angemessene Konzentrationsmengen der Duftstoffe. Neben dem Intensitätsaspekt ist auch der qualitative Aspekt zu berücksichtigen. Da Gerüche Ursache für eine Präferenz oder eine Aversion gegenüber einer Reizquelle sein können, bedarf es einer zielgruppenspezifischen Auswahl von olfaktorischen Reizen.

Durch eine entsprechende Auswahl von Düften können bestimmte emotionale Erlebniswerte vermittelt werden, die die Einkaufs- und Lebensqualität erhöhen. Über den Duft als Erlebnisträger kann eine emotionale Bindung zum Sortiment und - langfristig betrachtet - auch zur Einkaufsstätte hergestellt werden. Die Erhöhung des allgemeinen Wohlbefindens bewirkt, daß die Verkaufsumwelt eher als Erlebnis wahrgenommen wird. Das Ziel, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen, die wiederum einen Einfluß auf die Geschäftstreue hat, wird somit gefördert.